Die Flaggen der G7-Staaten. Foto: stock.adobe.com / hamzeh
Bauminister diskutieren Lösungen für die Wohnungsnot
Die Stadt Rom steht vor einer gewaltigen Herausforderung: Ganze 22 Milliarden Euro wären nötig, um die Wohnraumkrise und die vernachlässigten Stadtteile aufzuwerten, ergab jetzt eine Studie, die der hiesige Bürgermeister vorstellte. Ausgerechnet in dieser Stadt treffen sich gerade die Bauminister der G7-Staaten, um über das Thema zu sprechen, das alle verbindet: den akuten Mangel an Wohnraum. Steigende Bevölkerungszahlen und eine zu geringe Neubautätigkeit treiben weltweit die Preise in schwindelerregende Höhen – und so wird der Konflikt um bezahlbaren Wohnraum immer heftiger und wird wohl sogar Wahlen entscheiden.
Die Bauminister und Bauministerinnen in Rom
Deutschland: Wohnungsbauziele und Förderung
Auch in Deutschland verschärft sich die Wohnungsnot. Bundesbauministerin Klara Geywitz wird beim G7-Treffen über die ambitionierten Ziele der Bundesregierung berichten, die sie zuletzt aber nie erreichte. Jährlich sollen 400.000 neue Wohnungen entstehen, davon 100.000 im sozialen Wohnungsbau. Um dies zu erreichen, hat die Bundesregierung die Wohnungsbauförderung auf Rekordhöhe gesteigert – allein 18,15 Milliarden Euro sollen bis 2027 in den sozialen Wohnungsbau fließen. Zusammen mit den Ländern ergibt sich daraus ein Gesamtvolumen von rund 45 Milliarden Euro. Trotz dieser hohen Investitionen bleibt die Frage: Reicht das aus, um den Bedarf zu decken?
In ganz Europa wird laut Ifo-Institut die Zahl der fertiggestellten Wohnungen demnach bis 2026 nur noch bei gut 1,5 Millionen Einheiten liegen – ein Minus von 13 Prozent gegenüber 2023. Für Deutschland sei ein Rückgang von 35 Prozent zu erwarten. Als Gründe nannte Ifo-Experte Ludwig Dorffmeister stark gestiegene Baukosten, teurere Kredite sowie weniger finanzielle Spielräume der Privathaushalte. Besonders schwierig sei die Lage in Schweden mit einem Minus von 47 Prozent. Auf den weiteren Plätzen Dänemark (-19 Prozent) und Frankreich (-22 Prozent).
Frankreich: Sozialwohnungsbau in der Krise
Eine Studie der Sozialunion für Wohnungsbau (USH) legt offen, dass das Land bis 2040 jährlich 518.000 neue Wohneinheiten benötige – davon 198.000 Sozialwohnungen. Insbesondere in Paris bleibe die Zahl an Sozialwohnungen weit unter dem Bedarf, was die Lage weiter verschärfe. Doch auch in Frankreich fehle es an ausreichenden Investitionen und Ressourcen, um den steigenden Bedarf wirklich zu decken.
Großbritannien: Wohnungskrise und steigende Obdachlosigkeit
Auch Großbritannien ist schwer von der Wohnungsnot betroffen. Die Kombination aus anhaltender Inflation und einem historisch unterversorgten Wohnungsmarkt hat zur Folge, dass immer mehr Menschen ihr Zuhause verlieren und die Zahl der Obdachlosen auf einen Höchststand gestiegen ist. Allein 2023 schliefen pro Nacht rund 4.000 Menschen auf den Straßen Englands – ein Anstieg um 27 Prozent innerhalb eines Jahres. Besonders alarmierend ist die Lage in London, wo die Wohnkosten weiter in die Höhe schnellen: Die Durchschnittsmiete liegt dort mittlerweile bei 2.630 Pfund (ca. 3.110 Euro) monatlich. Angesichts der steigenden Nachfrage und des knappen Angebots können weder die konservative Regierung noch die oppositionelle Labour-Partei eine schnelle Lösung bieten. So bleibt für viele Briten nur die Zuflucht in überfüllten und oft heruntergekommenen Notunterkünften.
Die Herausforderung des Immobilienmarkts in Nordamerika
Selbst Kanada, das für seine Willkommenskultur bekannt ist, kämpft mit der Wohnraumkrise. In den letzten Jahren sind die Immobilienpreise dort dramatisch gestiegen, was das Wohnen für viele unerschwinglich gemacht hat. Um den Markt zu entlasten, hat die kanadische Regierung ein Gesetz erlassen, das ausländische Investoren vom Kauf von Immobilien ausschließt – ein radikaler Schritt, der im freien Markt eigentlich kaum denkbar ist. Diese Maßnahme soll den Preisanstieg bremsen und mehr Raum für lokale Käufer schaffen, doch ob das reicht, bleibt fraglich.
Brisantes Wahlkampfthema
In den USA ist das Thema Wohnungsbau besonders brisant, da es die politischen und wirtschaftlichen Diskussionen vor den nächsten Wahlen stark beeinflusst. In den Jahren vor 2008 führte ein Überangebot an Wohnungen zu einem Boom, bis die Immobilienblase platzte und das Land in die „Great Recession“ rutschte. Seitdem wurden deutlich zu wenige Wohneinheiten gebaut, sodass derzeit ein Defizit von rund drei Millionen Einheiten besteht. Die Wohnungsnot trifft vor allem jüngere Menschen und Minderheiten, die ohnehin mit geringeren Einkommen auskommen müssen. Das treibt die Mieten weiter in die Höhe und ist ein Wahlkampfthema am Election Day zwischen Kamala Harris und Donald Trump am 5. November.
Japan: Innovatives Bauen und serielle Fertigung
Japan, Gastgeber des G7-Treffens im vergangenen Jahr, hat seinerseits innovative Ansätze für den Wohnungsbau schon vorgestellt. Bundesbauministerin Geywitz besuchte das Land mit ihren Amtskollegen im Juli 2023. Dort besuchte sie das Mori Building Urban Lab in Tokio, das auf einem interaktiven Modell zeigt, wie die Stadt den Herausforderungen von Bevölkerungswachstum und Klimawandel begegnet.
Ein besonderes Highlight war die Darstellung der voraussichtlichen Bevölkerungsdichte bis 2050, die verdeutlicht, wie sich die Stadt im Hinblick auf demografische und klimatische Herausforderungen anpassen muss. Darüber hinaus zeigte es Aspekte des Klimawandels, wie die Veränderungen der Küstenlinie und Umweltbelastungen die Stadt beeinflussen und welche innovativen Lösungen umgesetzt werden können, um Tokios Urbanisierung zukunftsfähig zu gestalten.
Ein weiteres Beispiel war das Projekt Nouvelle Akabanedai. Das Projekt in Tokio ist ein einzigartiges Wohnbauprojekt, das auf einer engen Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Partnern basiert. Es kombiniert modernen Wohnraum mit gemeinschaftsfördernden Einrichtungen, was es von herkömmlichen Wohnsiedlungen abhebt. Anders als typische Wohnbauten legt Nouvelle Akabanedai großen Wert auf soziale Interaktion und schafft dafür Innenhöfe und Freiflächen, die Bewohnern aller Altersgruppen als Begegnungsorte dienen.
Hier scheint sich die deutsche Bauministerin viel abgeschaut zu haben. Genau das entspricht den Rahmenbedingungen des Konzepts „Sozialer Zusammenhalt“, das Mitte des Jahres 2024 startete. Künftig sollen neue Quartiere entsprechend geplant und vorhandene umgebaut werden, so dass Menschen jeden Alters sich nach diesem Model wohlfühlen.
Welche Lösungen bringt Rom?
Alle Teilnehmer des G7-Treffens stehen dennoch unter Druck, neue Lösungen für die globale Wohnungsnot zu finden. Die Erwartungen an die Konferenz sind hoch, denn die drängenden Fragen betreffen Millionen von Menschen weltweit. Man darf gespannt sein, welche gemeinsamen Ansätze in Rom entstehen. Schließlich hat sich die Ewige Stadt schon mehrfach neu erfunden und ist stets gewachsen, um modernen Anforderungen gerecht zu werden.