Die energetische Sanierung von Gebäuden ist entscheidend für die deutschen Klimaziele. Doch Fachkräftemangel und hohe Kosten bremsen den Fortschritt. Ein innovatives Konzept aus den Niederlanden könnte die Wende bringen.
Beim Energiesprong-Konzept wird das Gebäude mithilfe vorgefertigter Fassadenelemente gedämmt. Foto: iStock.com / UJAlexander
Sanierungsquote für Klimaziele viel zu gering
Deutschland steht vor einem gewaltigen Problem: Millionen von Gebäuden müssten dringend energetisch saniert werden, um die von der Bundesregierung vorgegebene Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Doch laut einer aktuellen Studie der Münchener Beratungsfirma S&B Strategy, über die tagesschau.de berichtet, ist dieses Ziel bei der derzeitigen Sanierungsquote von etwa 1 Prozent pro Jahr kaum zu erreichen. Der Fachkräftemangel und hohe Sanierungskosten wirken wie Bremsklötze, die den Fortschritt im Gebäudesektor massiv behindern.
Besonders problematisch sei der Mangel an qualifizierten Handwerkern, was die Kapazitäten für energetische Sanierungen stark einschränkt. Ohne grundlegende Veränderungen und neue Ansätze wird es kaum möglich sein, die ambitionierten Klimaziele zu verwirklichen. Aber könnte ein Blick ins Ausland zeigen, wie Deutschland diese Herausforderung meistern kann?
Energiesprong – ein neuer Ansatz für die Gebäudesanierung
In den Niederlanden sorgt ein innovatives Konzept für Aufsehen, das auch in Deutschland die Lösung für den Sanierungsstau sein könnte: Energiesprong – zu Deutsch einfach Energiesprung. Der Kern dieses Modells ist es, Gebäude nicht in vielen Einzelschritten zu modernisieren, sondern mithilfe vorgefertigter Module in einem einzigen Schritt auf ein klimaneutrales Niveau zu bringen.
Die Idee hinter Energiesprong ist simpel, aber revolutionär: Fertige Bauelemente – wie Fassaden- und Dachelemente – werden an bestehenden Gebäuden angebracht und enthalten bereits die notwendige Dämmung sowie modernste Haustechnik für Heizung, Lüftung und Warmwasser. Ergänzt wird das System durch Solaranlagen, die das Gebäude nahezu energieautark machen. Der gesamte Sanierungsprozess dauert nur wenige Tage und kann meist im bewohnten Zustand durchgeführt werden – eine enorme Zeitersparnis im Vergleich zu herkömmlichen Sanierungen.
Für welche Gebäude lohnt sich der Einsatz von Energiesprong?
Der serielle Ansatz, den Energiesprong nutzt, eignet sich besonders gut für größere Wohngebäude mit einer einfachen Struktur. Laut Experten wie Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin beim GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., sind Gebäude mit 2 bis 8 Etagen, die gut zugänglich sind und umfassende Modernisierungsbedarfe aufweisen, am besten für diese Methode geeignet. Solche Gebäude finden sich häufig in größeren Wohnquartieren, wo Skaleneffekte genutzt werden können, um die Sanierungskosten weiter zu senken.
Vor allem Mehrfamilienhäuser profitieren von Energiesprong, da sich die standardisierten Module effizient und kostengünstig einsetzen lassen. Für rund 20 Prozent der Mehrfamilienhäuser in Deutschland – das entspricht etwa 4,4 Millionen Wohnungen – könnte dieser Ansatz eine attraktive und praktikable Lösung darstellen. Dabei gilt: Je größer das Gebäude oder das Quartier, desto lohnenswerter wird die serielle Sanierung.
Warum Energiesprong in Deutschland noch nicht durchgestartet ist
Obwohl das Konzept in den Niederlanden bereits erfolgreich umgesetzt wird, gibt es in Deutschland noch einige Hindernisse. Die hohen Anfangsinvestitionen schrecken viele Eigentümer ab, obwohl die Energieeinsparungen langfristig zu einer Amortisation führen. Zusätzlich bremsen strenge Bauvorschriften und das Fehlen von Pilotprojekten die Verbreitung von Energiesprong hierzulande.
Zudem fehlt es vielen Bauunternehmen an Erfahrung mit dem neuen Ansatz. Der Markt ist nach wie vor auf traditionelle Bauweisen ausgelegt, und das Know-how zur effizienten Nutzung vorgefertigter Module ist in Deutschland noch nicht weit verbreitet.
Energiesprong als Lösung für den Sanierungsstau?
Trotz der Herausforderungen könnte Energiesprong der Schlüssel sein, um den Sanierungsstau in Deutschland zu überwinden. Die serielle Sanierung bietet eine Möglichkeit, große Gebäudebestände in kürzester Zeit energetisch auf den neuesten Stand zu bringen. Wenn staatliche Förderungen ausgeweitet und bürokratische Hürden abgebaut werden, könnte das Modell auch in Deutschland an Fahrt gewinnen.