Ratgeber

Nach der EZB-Sitzung: Warum die Bauzinsen nicht parallel zum Leitzins sinken

Wenn der Leitzins fällt, dann fallen auch die Bauzinsen: Diese Annahme haben viele Käufer. Doch das muss nicht sein. Der Markt ist komplexer und die Faktoren Zeit und Risiko spielen die größte Rolle. 

Nach der Leitzinssenkung kommen günstige Bauzinsen, oder?

Am Donnerstag hat die Europäische Zentralbank (EZB) erwartungsgemäß den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 3,0 Prozent gesenkt. Viele erwarten nun, dass auch die Bauzinsen endlich spürbar nachgeben. Schließlich wäre das doch logisch, oder? Wenn der Leitzins sinkt, sollten auch die Bauzinsen sinken, da sich die Banken günstiger Geld leihen können. Doch die Realität sieht anders aus. Wer heute bei Anbietern wie Interhyp und Co. schaut, sieht: Der Zins für 10-jährige Bauzinsen bleibt hartnäckig bei 3,17 Prozent.  Aber warum ist das so? Dazu muss man tiefer in die Materie einsteigen.

Was ist der Leitzins?

Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich Banken bei der EZB Geld leihen können. Er beeinflusst die kurzfristigen Finanzierungskosten der Banken und dient als Instrument der EZB, um die Konjunktur zu steuern. Das sehen wir jetzt seit etwa 2 Jahren, wie die Inflation durch den Leitzins gesteuert werden soll. Aktuell fällt die Inflation etwa auf die von der EZB gesetzte 2-Prozent-Marke, weshalb weitere Zinssenkungen als logische Folge erwartet werden.

Als der Leitzins erhöht wurde, wurde es teurer, Kredite aufzunehmen, was die Wirtschaft in der Regel bremst. Denn höhere Zinsen machen Investitionen und Konsum auf Kredit unattraktiver, was die Nachfrage senkt und dadurch die Inflation dämpfen soll. Nun, da die Inflation sinkt, ist eine Lockerung der Geldpolitik – also niedrigere Zinsen – zu erwarten, um die Wirtschaft wieder zu beleben.

Fällt der Leitzins, können sich Banken günstiger refinanzieren, was in der Theorie Kredite günstiger macht und die Wirtschaft ankurbeln soll. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass alle Kreditarten, insbesondere langfristige Baukredite, sofort günstiger werden. Die Bauzinsen hängen nämlich nicht allein vom Leitzins ab, sondern werden auch von anderen Faktoren bestimmt, wie etwa der Lage am Kapitalmarkt und den langfristigen Zinsentwicklungen.

Warum reagieren Bauzinsen anders?

Der wichtigste Unterschied: Bauzinsen orientieren sich an den langfristigen Zinsen am Kapitalmarkt und nicht primär an den kurzfristigen Leitzinsen. Immobilienkredite haben in der Regel lange Laufzeiten von 10, 15 oder sogar 30 Jahren. Banken müssen also sicherstellen, dass sie sich langfristig refinanzieren können, und das geschieht größtenteils über den sogenannten Pfandbriefmarkt. Pfandbriefe sind Wertpapiere, die Banken ausgeben, um sich Geld für die Baufinanzierung zu beschaffen. Die Zinssätze dieser Pfandbriefe werden wiederum stark von den langfristigen Zinsen am Kapitalmarkt beeinflusst.

Die Rolle des Kapitalmarktes

Während der Leitzins die kurzfristigen Zinsen bestimmt, orientieren sich die Bauzinsen an den Renditen für langfristige Anleihen und Pfandbriefe. Diese werden von ganz anderen Faktoren beeinflusst. Der Kapitalmarkt reagiert oft auf wirtschaftliche Unsicherheiten, Inflationserwartungen und geopolitische Risiken. Wenn Anleger am Kapitalmarkt unsicher in die Zukunft blicken, fordern sie höhere Zinsen für langfristige Kredite, um mögliche Risiken zu kompensieren.

Auch wenn die EZB also den Leitzins senkt, können die langfristigen Zinsen hoch bleiben, wenn es an den Finanzmärkten Unsicherheiten gibt. In der aktuellen Situation spielen beispielsweise Inflation und geopolitische Spannungen wie in der Ukraine oder im Nahen Osten eine große Rolle. Diese Risiken führen dazu, dass die Zinsen für langfristige Anlagen nicht so stark fallen, wie es bei den kurzfristigen Zinsen der Fall ist.

Kurze vs. lange Zinsen

Der Leitzins beeinflusst vor allem kurzfristige Kredite, wie etwa Überziehungskredite oder kurzfristige Geschäftskredite. Diese Zinsen reagieren oft direkt auf Änderungen des Leitzinses. Bauzinsen jedoch, die langfristige Kredite betreffen, sind von den langfristigen Zinsen am Kapitalmarkt abhängig. Diese langfristigen Zinsen sinken nicht unbedingt parallel zum Leitzins. Wenn also die EZB den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte senken sollte, werden kurzfristige Kredite günstiger, aber die Bauzinsen können stabil bleiben oder nur langsam sinken oder gar stagnieren.

„In den letzten drei Monaten des Jahres 2024 erwarten wir kaum Änderungen des Zinsniveaus, da sich die Bauzinsen in den letzten vier Wochen weitgehend stabil gehalten haben“, sagte Jochen Bartz von der Santander Consumer Bank schon im Oktober, als die EZB ebenfalls die Leitzinsen senkte. „Es gab keine überraschenden wirtschaftlichen oder inflationsbezogenen Entwicklungen, die eine Anpassung der Bauzinsen erforderlich gemacht hätten.“ Zudem seien mögliche Senkungen des Leitzinses durch die EZB in die aktuellen Bauzinsen eingepreist. Die Zeit gibt ihm offenbar Recht.  

(4)
3.8 von 5 Sternen
5 Sterne
 
2
4 Sterne
 
1
3 Sterne
 
0
2 Sterne
 
0
1 Stern
 
1
Deine Bewertung:

Seite weiterleiten

Artikel drucken

War dieser Artikel hilfreich?

Neuen Kommentar schreiben

immowelt Redaktionskodex

Die immowelt Redaktion verfügt über ein breites Immobilienwissen und bietet den Lesern sorgfältig recherchierte Informationen in hilfreichen Ratgebertexten. Der Anspruch der immowelt Experten ist es, komplexe Sachverhalte möglichst einfach wiederzugeben. Sämtliche Inhalte werden regelmäßig überprüft und verlässlich aktualisiert. Die immowelt Redaktion kann und darf keine rechtsgültige Beratung leisten. Für rechtsverbindliche Auskünfte empfehlen wir stets den Rat eines Fachanwalts, Eigentümer- oder Mieterverbands einzuholen.

Hier geht es zu unserem Impressum, den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, den Hinweisen zum Datenschutz und nutzungsbasierter Online-Werbung.