Wenn Naturkatastrophen zuschlagen, geraten nicht nur Städte und Dörfer ins Wanken, sondern auch das System der Gebäudeversicherung. Steigende Kosten und häufigere Ereignisse stellen Versicherungen, Hausbesitzer und Politik vor eine enorme Herausforderung – und lassen eine Frage aufkommen: Wer zahlt am Ende die Rechnung?
Drohnenaufnahme der überfluteten Umgebung in Polen, Schlesien. Dasselbe Hochwasser 2024 hat auch teils Sachsen getroffen. Foto von Elżbieta Kaps
Naturkatastrophen sind längst kein sporadisches Phänomen mehr. Mit zunehmender Erderwärmung nehmen sowohl die Häufigkeit als auch die Intensität dieser Ereignisse zu. Für Hausbesitzer bedeutet das, dass ihre Gebäudeversicherung heute mehr denn je gefordert ist, und für die Versicherer, dass die Risiken und Schadensummen steigen. Versicherungen müssen ihre Strategien anpassen und Hausbesitzer ebenso: Für viele wird die Prämie zur finanziellen Last, für einige wird eine Absicherung gegen Naturgefahren sogar unerschwinglich. Doch wie steht es wirklich um das System der Gebäudeversicherung angesichts der steigenden Herausforderungen durch Naturkatastrophen?
Naturkatastrophen: Von Stürmen und Starkregen – die Risiken nehmen zu
Die verheerenden Folgen von Starkregen und Hurrikans sind nicht länger auf bestimmte Regionen beschränkt. Besonders Europa erlebte in den letzten Jahren extreme Regenfälle und Überflutungen, die große Teile Mitteleuropas betrafen. Zuletzt in Polen, Tschechien und Sachsen oder Spanien, wo Valencia und Barcelona im Wasser versanken und viele Menschen zu Tode kamen.
Laut dem aktuellen Bericht von Munich Re war die Belastung durch Naturkatastrophen im Jahr 2024 außergewöhnlich hoch. Der Hurrikan Helene im Südosten der USA und das Sturmtief Boris in Osteuropa verursachten hohe Kosten und forderten die Widerstandsfähigkeit der Versicherungen heraus.
Versicherer wie Allianz, Munich Re und Hannover Rück berichteten in ihren jüngsten Quartalsberichten, dass sie zunehmend mit einer hohen Großschadenbelastung zu kämpfen haben. „Naturkatastrophen haben die finanzielle und operative Widerstandsfähigkeit der Allianz erneut auf die Probe gestellt, Prüfungen, die wir erfolgreich bestanden haben“, sagte Oliver Bäte, CEO der Allianz. Tatsächlich verzeichnete die Allianz im dritten Quartal 2024 ein hohes operatives Ergebnis, konnte dies jedoch nur durch ein starkes Wachstum der Prämieneinnahmen und eine Reduzierung der Schäden im Vergleich zum Vorjahr erreichen. Dies zeigt, dass Versicherungen angesichts der Risiken durch Naturkatastrophen nicht mehr nur auf die Prämien der Kunden angewiesen sind, sondern zunehmend auf Rückstellungen und eine flexible Schadensbewältigung setzen müssen.
Steigende Versicherungsprämien: Ein Problem für viele Hausbesitzer
Die steigende Häufigkeit und Intensität von Naturkatastrophen bedeutet für viele Hausbesitzer höhere Prämien oder gar die Gefahr, gar keine Versicherung mehr zu bekommen. Besonders in Risikogebieten, die regelmäßig von Hochwasser, Stürmen oder Erdbeben betroffen sind, werden die Policen oft teurer oder mit höheren Selbstbeteiligungen angeboten. In einigen Regionen wird es für Versicherer immer schwieriger, eine rentable Prämie anzubieten. Munich Re und andere Rückversicherer legen daher ein besonderes Augenmerk auf ihre Schaden-Kosten-Quote, die zeigen soll, wie rentabel ihre Versicherungsleistungen unter den gegebenen Risiken sind. So lag die Quote von Munich Re im Bereich der Schaden-/Unfallversicherung im dritten Quartal 2024 bei 90,5 %. Ein Anstieg gegenüber dem Vorjahresquartal.Da lag die Quote im Bereich der Schaden-/Unfallversicherung nur bei 82,0 %.
Aber nicht nur Hausbesitzer sind betroffen – auch Banken und Kreditgeber, die Immobilienkredite vergeben, beobachten die Entwicklung mit Sorge. Denn wenn eine Region als zu hohes Risiko eingestuft wird und kaum noch Versicherungsschutz besteht, kann das den Immobilienmarkt belasten. Immobilien, die in Gebieten mit hoher Naturgefahr liegen, verlieren an Wert oder werden schwerer finanzierbar. Dies betrifft besonders Eigenheimbesitzer, die ohne Versicherungsschutz den finanziellen Schaden durch Naturkatastrophen alleine tragen müssten.
Lösungsansätze: Wie Versicherungen und Politik reagieren
Einige Versicherungen reagieren bereits mit innovativen Ansätzen. So setzt die Hannover Rück zunehmend auf Retrozessionen, also das Auslagern von Risiken an andere Versicherer, um so die eigene Schadenslast zu verringern und die Zahlungsfähigkeit im Ernstfall zu sichern. Auch bei den Policen selbst gibt es neue Entwicklungen: Neben der Standardversicherung bieten Versicherungen heute immer häufiger Zusatzoptionen an, die spezifische Naturgefahren abdecken, etwa Hochwasser- oder Sturmschäden.
Die Versicherungsbranche betont, dass die Politik gefordert ist, den Schutz vor Naturkatastrophen zu verstärken. Eine mögliche Maßnahme sind verpflichtende Elementarversicherungen, wie sie in anderen europäischen Ländern teils schon bestehen. In Deutschland diskutiert die Politik seit Jahren darüber, jedoch bleibt eine Einigung aus, da die Kostenfrage und die Verteilung der Prämien eine politische Hürde darstellen. Auch könnten verstärkte Investitionen in die Infrastruktur, wie Deiche und Drainagesysteme, helfen, die Schadensfolgen für Hausbesitzer zu mindern.
Ein Ausblick: Der Wandel der Gebäudeversicherung im Zeichen des Klimawandels
Insgesamt zeigt sich, dass das System der Gebäudeversicherung unter Druck steht. Während Versicherungen ihre Prämien erhöhen und ihre Risiko-Strategien neu definieren müssen, sehen sich Hausbesitzer mit immer höheren Kosten und den finanziellen Unsicherheiten konfrontiert, die Naturkatastrophen mit sich bringen. Die Allianz, Munich Re und Hannover Rück zeigen, dass die Versicherungsbranche auf die Risiken vorbereitet ist, doch der Druck bleibt bestehen, Lösungen zu finden, die den Schutz der Hausbesitzer langfristig sichern. Es bleibt abzuwarten, ob und wie Politik und Versicherungen gemeinsam Maßnahmen ergreifen, um den Schutz vor Naturkatastrophen auch in Zukunft bezahlbar und zuverlässig zu gestalten.