Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe beschäftigt sich derzeit mit einer grundsätzlichen Frage: Ist der Solidaritätszuschlag noch verfassungsgemäß? Eine Abschaffung hätte auch für Vermieter und Verkäufer von Immobilien Auswirkungen.
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Hintergrund: Der Streit um den Soli und die brisanten Kläger
Seit der Einführung des Solidaritätszuschlags 1991 ist dieser fest in das deutsche Steuersystem eingebettet. Ursprünglich lag er bei 7,5 Prozent und wurde zur Deckung der Einheit durch die Wende erhoben. Seit 2021 zahlen allerdings nur noch rund 10 Prozent der Steuerpflichtigen den Soli – darunter Besserverdienende und Kapitalgesellschaften. Die aktuelle Verfassungsbeschwerde kommt von sechs FDP-Bundestagsabgeordneten, darunter Florian Toncar und Katja Hessel, die bis vor Kurzem im Bundesfinanzministerium als Parlamentarische Staatssekretäre tätig waren. Sie argumentieren, dass der Soli seit dem Auslaufen des Solidarpakts II Ende 2019 nicht mehr verfassungsgemäß sei, da der ursprünglich festgelegte Finanzierungszweck nicht mehr gegeben ist.
Besondere Brisanz erhält der Fall durch die politische Situation: Christian Lindner, der sich als früherer Bundesfinanzminister stets für eine Abschaffung des Solis eingesetzt hat, wurde kürzlich von Kanzler Olaf Scholz entlassen. Mit dem neuen SPD-Finanzminister Jörg Kukies, der eine andere Haltung zum Soli einnehmen könnte, hat sich die Position der Bundesregierung verändert. Lindners FDP-Politiker-Kollegen, die nun als Kläger auftreten, setzen also den Kampf gegen den Soli auf juristischer Ebene fort – und werfen dabei ein neues Licht auf die Frage, wie der Solidaritätszuschlag heute noch legitimiert werden kann.
Die Bedeutung für Vermieter und Verkäufer
Sollte das Verfassungsgericht zugunsten der Kläger entscheiden, könnte dies erhebliche Erleichterungen für Vermieter und Verkäufer von Immobilien bedeuten. Der Solidaritätszuschlag wird als Zuschlag auf die Einkommensteuer erhoben, zu der auch Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Gewinne aus Immobilienverkäufen gehören. Entfällt der Soli, sinkt damit die Steuerlast für diese Gruppen spürbar. Dies könnte gerade für vermögende Privatpersonen und Unternehmen, die häufig Immobilien kaufen und verkaufen, eine erhebliche Steuererleichterung darstellen.
Seit 2021 zahlen nur noch rund 10 Prozent der Steuerzahler den Solidaritätszuschlag, da der Freibetrag für die Einkommensteuer deutlich angehoben wurde. Der Soli ist weiterhin eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer, die in Höhe von 5,5 % auf die jeweilige Steuer berechnet wird.
Wer zahlt den Soli aktuell?
- Geringverdiener: Diese Gruppe bleibt seit 2021 vom Solidaritätszuschlag befreit, da ihr zu versteuerndes Einkommen unter dem Freibetrag von 18.130 € für Einzelpersonen (36.260 € für zusammen Veranlagte) liegt. Ein Beispiel: Eine Person mit einem zu versteuernden Einkommen von 40.000 € zahlt keine Soli-Abgabe, da die daraus resultierende Einkommensteuer unter dem Freibetrag bleibt.
- Mittlere Verdiener: Personen, deren Einkommen zwar über dem Freibetrag liegt, aber keine Spitzenverdiener sind, zahlen den Soli. Das könnte beispielsweise auch für Vermieter zutreffen, deren Einkünfte aus Mieteinnahmen ihr Einkommen auf einen solchen Bereich heben. Zum Beispiel eine ledige Person mit einem zu versteuernden Einkommen von 109.000 € würde auf die Einkommensteuer von etwa 37.202 € einen Solidaritätszuschlag von 2.046,11 € zahlen.
- Großverdiener und Verkäufer von Immobilien: Besonders hohe Einkommen und einmalige Kapitalgewinne, etwa durch den Verkauf einer Immobilie, fallen ebenfalls unter den Soli. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 140.000 € liegt die Einkommensteuer bei 50.848 €, was zu einem Soli-Zuschlag von 2.796,63 € führt. Hier sind auch Kapitalgesellschaften betroffen, die Soli auf ihre Körperschaftsteuer zahlen müssen.
Argumente für und gegen den Soli
Die Klägerseite, vertreten durch Anwalt Henning Berger, sieht den Soli als verfassungswidrig an, da er nicht länger einen Ausnahmecharakter erfüllt und nur noch einen kleinen Teil der Steuerzahler trifft. Für Berger muss eine Ergänzungsabgabe wie der Soli an einen konkreten Finanzbedarf gebunden sein, der nach Wegfall des Solidarpakts nicht mehr gegeben sei. Die Regierung argumentiert hingegen, dass durch Infrastrukturprojekte, Klimaschutzmaßnahmen und Verteidigungsaufgaben weiterhin ein hoher Finanzbedarf besteht, der durch den Soli gedeckt werden könne.
Die Argumentation wird von zwei Sachverständigen unterschiedlich bewertet. Der Trierer Steuerrechtler Henning Tappe vertritt die Ansicht, dass der Solidaritätszuschlag nicht an einen spezifischen Zweck gebunden sei und daher fortgeführt werden könne. Der Heidelberger Jurist Hanno Kube hingegen betonte, dass Ergänzungsabgaben lediglich als vorübergehende Lösungen für außergewöhnliche Bedarfsspitzen gedacht seien – und somit mit dem Ende des Solidarpakts an Gültigkeit verloren hätten.
Was könnte passieren?
Das Bundesverfassungsgericht wird sein Urteil erst in einigen Monaten verkünden, doch die möglichen Szenarien sind schon jetzt abzusehen. Sollte der Soli verfassungswidrig erklärt werden, müsste der Bund jährlich auf mehr als 12 Milliarden Euro verzichten und möglicherweise sogar Soli-Zahlungen der letzten Jahre zurückerstatten. Für Vermieter und Immobilienverkäufer könnte das ein Ende der zusätzlichen Steuerbelastung bedeuten. Bleibt der Soli jedoch bestehen, wird er vermutlich weiterhin umstritten bleiben, insbesondere als Steuer für Besserverdienende und Unternehmer.