Rekordzahlen bei Photovoltaik in Deutschland, trotzdem klagen die Energieerzeuger. Woher kommen die Sorgen bei der grünen Energie?
Stehen Photovoltaik-Anlagen bald im Naturschutzgebiet? Foto: iStock.com / PinkBadger
Das Jahr der Rekorde
Deutschland verzeichnet einen neuen Höchstwert in der Nutzung von Photovoltaik: Rund 12 Prozent des gesamten Stroms im Jahr 2023 stammten allein aus Solarenergie. Das teilte das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Die Zahl der installierten Anlagen stieg demnach um fast 30 Prozent auf 3,4 Millionen. Damit wurde die Nennleistung auf 81,5 Gigawatt ausgebaut. Im Jahr 2023 wurden noch 53,6 Millionen Megawattstunden Solarstrom ins Netz eingespeist. Im Rekordmonat Juni allein wurden 27,3 Prozent des Stroms aus Photovoltaik gewonnen. Doch diese offenbar erfreulichen Zahlen wecken Ängste und Sorgen.
Warum hat Deutschland Angst vor Photovoltaik?
Trotz dieser positiven Entwicklung gibt es erhebliche Bedenken. Netzbetreiber und Experten warnen angesichts der explodierenden Entwicklung der Solarenergie hierzulande vor instabilen Netzsituationen und möglichen Blackouts.
Maik Render von der N-Ergie, verantwortlich für den Raum Nürnberg, berichtet im Handelsblatt, dass ein unkontrollierter Ausbau zu regionalen Überlastungen führen könnte. Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) weist auf das Risiko von lokalen Stromausfällen hin, besonders in sonnenreichen Regionen im Süden und Südwesten Deutschlands.Ein weiteres Problem ist, dass viele Anlagen nicht automatisch abgeschaltet werden können, was die Netzstabilität weiter gefährdet.
Schnelle Lösungen gesucht
Robert Kohrs vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme nennt vier zentrale Maßnahmen zur Bewältigung dieser Herausforderungen: Einsatz von Batteriespeichern, regelbare Ortsnetztrafos, intelligente Mess-Systeme und marktliche Anreize. Diese technischen und regulatorischen Verbesserungen sollen helfen, die Netzstabilität zu erhöhen, sind jedoch langfristige Lösungen. Kurzfristig bleibt das Risiko von Netzproblemen bestehen.
Dynamische Stromtarife könnten Abhilfe schaffen
Ein weiteres Instrument, um diese Problematik zu entschärfen, sind dynamische Stromtarife. Diese Tarife passen sich an die aktuellen Marktpreise an und sollen den Verbrauch in Zeiten hoher Stromproduktion fördern. Wenn viel Strom zur Verfügung steht, ist er besonders günstig, bei wenig Strom entsprechend teurer. Kunden könnten ihren Stromverbrauch entsprechend der Verfügbarkeit und des Preises anpassen. Obwohl diese Maßnahme vielversprechend ist, wird in Fachkreisen erwartet, dass sie erst in einigen Jahren ihre volle Wirkung entfalten, zumal das Managen des Haushalts nicht immer exakt an den Stromtarif anzupassen ist, weil man beispielsweise gerade noch auf der Arbeit ist.
Kein Schritt zurück erlaubt?
Der rasche Ausbau der Photovoltaik in Deutschland ist dennoch ein wesentlicher Schritt zur Energiewende und zur Erreichung der Pariser Klimaziele bis 2040.
Eine aktuelle Analyse des Europäischen Umweltbüros (EEB) zeigt, dass in Deutschland noch wesentlich mehr Solaranlagen geschaffen werden müssten. Um bis 2040 100 Prozent erneuerbare Energien in allen Sektoren und Klimaneutralität zu erreichen, gibt es in Deutschland einen Bedarf allein an 346 Gigawatt Photovoltaik-Leistung. Windkraft ist aus dieser Rechnung noch ausgenommen. Investitionen in Infrastruktur und intelligente Systeme sind daher unerlässlich, um die Stromversorgungssicherheit in Zukunft zu gewährleisten. Neben Dächern müssten künftig laut der Studie auch Agrar- und sogar Naturschutzgebiete den Photovoltaik-Flächen weichen.