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Mieter insolvent: So gehen Vermieter vor

Ist der Mieter insolvent, haben Vermieter oft das Nachsehen. Dürfen sie jetzt kündigen? Und wer kommt bei der Privatinsolvenz des Mieters für die Mietschulden auf? So gehen Vermieter bei der Privatinsolvenz des Mieters vor.

Mieter insolvent? Das können Vermieter tun

Ist der Mieter im Zahlungsrückstand, sollten Vermieter möglichst früh reagieren: indem sie ihn darauf hinweisen und bei mangelnder Einsicht abmahnen. Denn: „Dass der Mieter Insolvenz angemeldet hat, erfährt der Vermieter in der Regel erst spät“, sagt Nina Haverkamp, Fachanwältin für Insolvenzrecht in Bonn.  Mieter seien im laufenden Mietverhältnis nicht verpflichtet, mitzuteilen, wenn sie Privatinsolvenz beantragen.

Je nach Stand des Insolvenzantrags haben Vermieter unterschiedliche Möglichkeiten:

Ob bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, können Vermieter laut der Rechtsexpertin online erfahren: Auf www.insolvenzbekanntmachungen.de. Andernfalls erfährt der Vermieter von einem Insolvenzverfahren erst durch ein Schreiben des Insolvenzverwalters, doch kann er dann kündigen?

Je nachdem, ob der Mieter bereits einen Insolvenzantrag gestellt hat oder nicht, hat der Vermieter unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten:

Fall 1: Wenn der Mieter keinen Insolvenzantrag gestellt hat

Vermieter, die noch vor der Privatinsolvenz des Mieters tätig werden, haben noch alle Handlungsmöglichkeiten. „Eine bereits ausgesprochene Kündigung bleibt wirksam, und eine bereits eingereichte Räumungsklage wird weiterhin ausgeführt“, so Nina Haverkamp.

Möglichkeiten vor dem Insolvenzantrag des Mieters:

  • Ratenzahlung vereinbaren: Ist der finanzielle Engpass vorübergehend, kann der Mieter den Rückstand so in mehreren Teilzahlungen begleichen.
  • Auf die Kaution zugreifen: Das ist im laufenden Mietverhältnis allerdings nur  möglich, wenn die Forderungen des Vermieters rechtskräftig festgestellt, unstreitig oder offensichtlich begründet sind (BGH, Az.: VIII ZR 234/13).
  • Vom Vermieterpfandrecht Gebrauch machen: Haushaltsgegenstände des Mieters sind jedoch nicht pfändbar, weitere Wertgegenstände finden Vermieter eher selten.
  • Mahnverfahren in die Wege leiten: Der Vermieter erhält durch ein Mahnverfahren einen Zahlungstitel. Wehrt sich der Mieter, kann daraus ein Klageverfahren werden.
  • Im Klageverfahren kann der Vermieter eine Zahlungsklage wegen nicht gezahlter Miete erheben, und diese eventuell mit einer Räumungsklage verbinden.
  • Fristlos kündigen: Aufgrund von Zahlungsverzug kann der Vermieter eine fristlose Kündigung aussprechen.

„Hat der Vermieter einen Zahlungstitel erstritten und der Mieter meldet Privatinsolvenz an, so kann er dennoch nichts mehr einfordern,“ erklärt Nina Haverkamp. Der Grund: Der Mieter ist nicht mehr prozessführungsbefugt. Der Vermieter könnte Mietrückstände also nur noch über das Insolvenzverfahren eintreiben (vgl. § 87 InsO).

Fall 2: Wenn der Insolvenzantrag gestellt, das Verfahren aber noch nicht eröffnet ist

Hat sich bereits ein Mietrückstand angestaut und der Mieter den Insolvenzantrag gestellt, hat der Vermieter schlechte Karten. Denn:

  • Laut Insolvenzordnung ist eine fristlose Kündigung – etwa wegen Zahlungsverzug – zu diesem Zeitpunkt nicht möglich (§112 InsO). Auch wenn der Vermieter mit einer Klausel im Mietvertrag ein Sonderkündigungsrecht wegen Privatinsolvenz vereinbart hat, ist diese unwirksam (§ 119 InsO).
  • Bisherige Mietrückstände oder Schadensersatzforderungen des Vermieters sind in der Regel Insolvenzforderungen und können ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Insolvenztabelle angemeldet werden (§ 108 Abs. 3 InsO). In dieser Tabelle werden alle angemeldeten und vom Insolvenzverwalter geprüften Forderungen der Gläubiger aufgelistet.

Fall 3: Ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Etwa ein bis 6 Wochen nach Insolvenzantragstellung des Mieters erhält der Vermieter einen Brief vom Insolvenzverwalter. Die Forderungen an seinen Mieter kann er nun für die Insolvenztabelle anmelden. „Außerdem erteilt der Verwalter in der Regel eine Freigabeerklärung für die laufenden Forderungen des Vermieters (§ 109 InsO),“ erklärt Andre Kraus, Fachanwalt für Insolvenzrecht von der Anwaltskanzlei Kraus Ghendler. Das bedeutet, dass der Mieter wieder selbst für die Mietkosten aufkommen muss. Der Vermieter kann nun das Mietverhältnis wegen früherer Mietschulden auch wieder kündigen. Die Freigabeerklärung wird in der Regel drei Monate nach der Insolvenzeröffnung wirksam.

Bevor die Freigabeerklärung wirksam wird:

  • Der Vermieter kann weiterhin nicht kündigen.
  • Der Vermieter kann nicht auf eine hinterlegte Kaution zugreifen. Sie wird, laut Rechtsanwalt Andre Kraus, mit in die Insolvenzmasse aufgenommen.
  • Laufende Mietkosten muss der Insolvenzverwalter zahlen (§ 169InsO).
  • Hat der Vermieter vor dem Insolvenzantrag des Mieters einen Zahlungstitel erwirkt, so kann er diesen nun nicht mehr vollstrecken.

Sobald die Freigabe wirksam ist, hat der Vermieter wieder alle seine Rechte zurück. Das heißt:

  • Neu anfallende Mietschulden kann der Vermieter direkt vom Mieter einfordern, nicht beim Insolvenzverwalter.
  • Auf die Kaution kann er laut Rechtsanwalt Andre Kraus nun wieder zugreifen.
  • Eine fristlose Kündigung wegen Mietschulden ist nun wieder möglich. Hierbei zählen auch bereits angestaute Altschulden (BGH, Az.: VIII ZR 19/14).
  • Altschulden des Mieters muss der Vermieter über die Insolvenztabelle eintreiben.

Mietschulden über das Insolvenzverfahren eintreiben

Vermieter, die offene Forderungen gegen Mieter haben, sollten keine Zeit verlieren:

1. Akteneinsicht beantragen: In den Gerichtsakten findet der Vermieter Berichte des Insolvenzverfahrens, Schriftverkehr und den Insolvenzantrag.

2. Anwalt kontaktieren und den Aufwand abwägen: Gerichtsakten sind meist nicht so einfach zu durchdringen und mit einem Fachanwalt an der Seite kann der Vermieter Aufwand und Erfolgschancen realistisch abschätzen. „Am Ende erhält er meist nur eine Quote von rund drei Prozent aus der Gesamtinsolvenzmasse“, so die Rechtsexpertin. Denn die Forderungen des Vermieters sind in der Regel nur Insolvenzforderungen und werden nachrangig beglichen.

3. Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden: Seine Forderungen muss der Vermieter schriftlich zur Insolvenztabelle anmelden. „In der Regel bekommt der Vermieter vom Insolvenzverwalter ein Formular zugeschickt, das er ausfüllt“, erklärt Rechtsanwalt Andre Kraus.

Anmeldung zur Insolvenztabelle

  • Angemeldet werden können Forderungen für die Zeit vor Stellen des Insolvenzantrags, etwa nicht gezahlte Mieten oder rückständige Betriebskosten.
  • Die Forderungsanmeldung – also Anschreiben, Forderungsanmeldung und Belege – ist in zweifacher Ausfertigung unmittelbar an das Büro des Insolvenzverwalters zu senden.
  • Die Vertretung des Vermieters durch einen Rechtsanwalt muss ebenfalls schriftlich, inklusive einer entsprechenden Vollmacht, mitgeteilt werden.
  • Auch Sicherungsrechte, etwa das Vermieterpfandrecht oder rechtskräftige Zahlungs- und Räumungstitel müssen angezeigt werden. Der Insolvenzverwalter übernimmt dann in der Regel die Durchsetzung der Rechte.
  • Die Forderungen müssen meist durch Belege nachgewiesen werden – „Zum Beispiel durch den Mietvertrag oder Nebenkostenabrechnungen“, erklärt Andre Kraus.

Wie lange der Vermieter für die Anmeldung zur Insolvenztabelle Zeit hat, steht im Eröffnungsbeschluss des Insolvenzgerichtes, das auch amtlich veröffentlicht wird. Wer die Frist versäumt, kann aber auch nachträglich noch seine Insolvenzforderungen anmelden, gegen eine Bearbeitungsgebühr im unteren zweistelligen Bereich.

Schlussverteilung im Insolvenzverfahren

Bis zum Ende eines Insolvenzverfahrens vergeht viel Zeit: "3 bis 6 Jahre kann es dauern“, so Nina Haverkamp. Wenn das gesamte Vermögen des Mieters verwertet – also zu Geld gemacht – wurde, kommt es zur Schlussverteilung (§ 196 InsO).

Der Vermieter wird dann meist mit einer Quote zwischen 2 und 5 Prozent an dem Geld im Insolvenztopf beteiligt. Laut Rechtsanwältin Nina Haverkamp sind 3 Prozent üblich.

Nur bei einem verkürzten Verfahren bestehe laut Rechtsexperten Andre Kraus Aussicht auf eine Beteiligung im zweistelligen Bereich.

Das Vermieterpfandrecht im Insolvenzfall: nur in Einzelfällen wirkungsvoll

Über das Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) hat der Vermieter die Möglichkeit das Hab und Gut des Mieters in der Wohnung zu pfänden. Ein Großteil der Gegenstände ist jedoch davor geschützt: „Alles, was in einen normalen Haushalt gehört“, so die Rechtsanwältin, „auch Gegenstände, die der Mieter zur Berufsausübung braucht.“ Laptop, Fernseher oder Einbauküche sind also tabu – und Designklassiker oder teure Gemälde dürften sich in der Wohnung des Mieters nur selten finden. Daher lohnt sich dieses Vorgehen nur in Einzelfällen.

Im Insolvenzfall vollzieht der Verwalter die Pfändung und zahlt den Vermieter dann aus. Das Recht kann aber laut Haverkamp nur für Mietrückstände der letzten 12 Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingefordert werden. Andere Forderungen sind davon ausgenommen.

„Das Vermieterpfandrecht ist ein stumpfes Schwert. Meist haben insolvente Mieter keine pfändbaren Gegenstände. Ich habe hunderte Insolvenzverfahren erlebt und nur einmal war etwas Pfändbares dabei – eine Waffensammlung.“

— Nina Haverkamp, Fachanwältin für Insolvenzrecht bei AHS Rechtsanwälte Köln und Bonn

Befriedigungsabreden mit Mietern treffen

In einigen Fällen versuchen Mieter, bereits vor dem Insolvenzverfahren mit dem Vermieter sogenannte Befriedigungsabreden zu treffen. Der Mieter bietet also dem Vermieter zum Beispiel zumindest 50 Prozent der Mietschulden zu zahlen, damit sind sie quitt.

Solche Abreden sind mit Vorsicht zu genießen, denn im Insolvenzfall kann der Verwalter sie später anfechten (§ 129 InsO). Ist er erfolgreich, verschwindet das Geld in den Topf der Insolvenzmasse und wird erst am Ende des Verfahrens an die Gläubiger verteilt. Das heißt, der Topf wird etwas größer – und der Vermieter bekommt nur einen Bruchteil daraus.

Das Anfechten einer Befriedigungsabrede ist laut Nina Haverkamp bis zu zehn Jahre rückwirkend möglich. Das Risiko sei besonders hoch für alles, was ein bis drei Monate vor dem Insolvenzantrag vereinbart wurde. Sie rät: „Vermieter können durchaus Abreden treffen, sie müssen aber das Risiko bedenken, dass sie das Geld eventuell nicht behalten dürfen."

Insolventen Mieter vermeiden: Vorsorge bleibt das beste Rezept

Vermietern rät Nina Haverkamp, Fachanwältin für Insolvenzrecht, zur Vorsorge. Denn: „Wenn der Mieter Insolvenz beantragt, ist es extrem frustrierend, umso länger man die Schulden hat auflaufen lassen. Im Vorfeld sollten sich Vermieter darum möglichst konsequent verhalten.“ Sie sollten:

  • Die maximale Kautionshöhe vereinbaren.
  • Mietrückstände nicht aufsummieren lassen, sondern rasch einfordern.
  • Schon bei einem Monat Mietrückstand anmahnen.
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