Verkehrssicherungspflicht: Das Wichtigste in Kürze
- Immobilien- und Grundstückseigentümer sind verpflichtet, Dritte vor potenziellen Gefahren auf dem eigenen Grundstück zu bewahren.
- Zur Verkehrssicherungspflicht gehören beispielsweise die Räumpflicht im Winter, die Sicherung von Fassade und Dächern sowie ausreichende Beleuchtung und Sicherung von Wegen und Treppenhäusern.
- Die Verkehrssicherungspflicht kann an Dritte, beispielsweise Mieter, in Teilen übertragen werden.
- Eine gänzliche Freistellung von der Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers ist jedoch nicht möglich. Im Schadensfall steht dem Geschädigten unter Umständen Schadenersatz zu.
Übersicht
Was ist die Verkehrssicherungspflicht?
Die Verkehrssicherungspflicht kann in gewissen Umfang an Dritte, wie beispielsweise einen Mieter oder Hausmeister abgetreten werden. Foto: ifiStudio / stock.adobe.com
Wer Eigentümer eines Grundstücks ist, muss sicherstellen, dass weder Personen noch Gegenstände darauf zu Schaden kommen. Dazu müssen jegliche Gefahrenquellen beseitigt oder zumindest ausreichend gesichert werden. Die sogenannte Verkehrssicherungspflicht ist zwar in keinem Gesetz ausdrücklich verankert. Sie ergibt sich aber aus der gängigen Rechtsprechung, welche eine Kombination aus Grundgesetz (GG) und Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) als rechtliche Basis hat:
- Artikel 12 Abs. 2 GG: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“
- Paragraf 823 Abs. 1 BGB: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
Was fällt unter die Verkehrssicherungspflicht?
Die Verkehrssicherungspflicht hört dort jedoch nicht auf. Auch Pools oder Gartenteiche, Müllplätze oder Gas- und Feuerungsanlagen auf einem Grundstück müssen regelmäßig überprüft und gut abgesichert werden.
Achtung: Neben der Verkehrssicherungspflicht müssen sich Grundstückseigentümer auch an die gesetzlichen Vorgaben und Richtlinien halten. Dazu gehören beispielsweise die geltenden Straßenreinigungssatzungen ihrer Kommune.
Verkehrssicherungspflicht: Wege
Häufig passieren Unfälle auf den Wegen: Personen können ausrutschen oder stolpern und sich so verletzen.
Absicherung möglicher Gefahrenquellen:
- Ausreichende Beleuchtung aller Wege, damit etwaige Unfallquellen wie Schlaglöcher, herausstehende Steine oder andere Unebenheiten gut gesehen werden können. Achtung: Laut eines Urteils des Oberlandesgerichts Koblenz ist eine Beleuchtung, die sich weniger als 20 Sekunden nach dem Einschalten automatisch wieder abschaltet, eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (OLG Koblenz, Az.: 5 U 324/95).
- Räumen der Wege, dazu gehört insbesondere der Winterdienst, also die Schneeräumpflicht. Aber auch Herbstlaub sollte entfernt werden, da es bei Nässe rutschig werden kann. Auch Unkraut sollte regelmäßig beseitigt werden. Bei Glatteis gibt es zudem eine Streupflicht. Hierzu können Streumittel wie Sand, Splitt oder Granulat verwendet werden. Streusalz ist in vielen Kommunen verboten.
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Verkehrssicherungspflicht endet nicht am Gartenzaun
Der Eigentümer ist nicht nur für die Wege auf dem Grundstück zuständig, sondern auch für die angrenzenden Bürgersteige. Diese müssen regelmäßig geräumt und überprüft werden. Allerdings obliegt dem Eigentümer hierbei nicht die Instandhaltungspflicht. Bei eventuellen Schäden auf den Gehwegen, wie Schlaglöchern, ist jedoch die zuständige Gemeinde zu informieren, um eine Mitschuld im Schadensfall auszuschließen.
Verkehrssicherungspflicht: Treppenhäuser
Treppenhäuser bergen unter Umständen einige Stolperfallen. Da diese aber in der Regel als Fluchtweg gelten, sollten sie gefahrenfrei passiert werden können. So dürfen Vermieter beispielsweise ihren Mietern untersagen, Fahrräder, Schuhe oder Dekomaterial im Treppenhaus stehen zu lassen, um so ihrer Verkehrssicherungspflicht nachzukommen. Nicht verboten werden dürfen Rollstühle oder andere Gehhilfen und Kinderwagen – allerdings nur dann, wenn sie keine Fluchtwege versperren.
Treppenhäuser sollten zudem immer ausreichend gut beleuchtet sein. Und ist ein Fahrstuhl vorhanden, muss dieser alle 2 Jahre einer umfassenden Betriebsprüfung unterzogen werden.
Verkehrssicherungspflicht: Bäume und Sträucher
Bäume sind insbesondere bei Stürmen und im Winter eine potenzielle Gefahr. Ihre Gesundheit und Standfestigkeit sollten regelmäßig überprüft werden. Gerade nach Stürmen und Unwettern sollte mindestens eine Sichtprüfung stattfinden. Das kann der Eigentümer selbst tun, es wird nicht zwingend ein Fachmann benötigt. Dabei muss vor allem auf Äste geachtet werden, die abbrechen könnten. Aber auch herabfallendes Obst oder andere Baumfrüchte können Schäden verursachen.
Bei Pflanzen, die nah an der Grundstücksgrenze wachsen, müssen Grundstückseigentümer auf überhängende Wurzeln und Äste achten und diese gegebenenfalls zurückschneiden.
Verkehrssicherungspflicht: Fassaden
Herabfallende Teile aus der Fassade können größere Schäden anrichten. Deshalb sollten Eigentümer auch diese regelmäßig auf lose Elemente überprüfen, insbesondere nach Sturm und Unwettern.
Verkehrssicherungspflicht: Dächer
Bei Dächern sind lose Dachziegel und Regenrinnen eine potenzielle Gefahrenquelle. Aber auch Antennen können bei unzureichender Sicherung herunterfallen.
Verkehrssicherungspflicht: Balkone
Ein ungesicherter Blumenkasten kann bei einem Sturm schnell herabstürzen. Noch gefährlicher wird es, wenn die Statik des Balkons in Mitleidenschaft gezogen ist und er in Teilen oder als Ganzes droht abzustürzen.
Wer ist zuständig für die Verkehrssicherungspflicht?
Die Verkehrssicherungspflicht liegt grundsätzlich beim Eigentümer des Grundstücks. Dabei ist es unerheblich, ob er die Immobilie selbst nutzt oder vermietet.
Kann die Verkehrssicherungspflicht auf Mieter übertragen werden?
Die Verkehrssicherungspflicht kann in gewissem Umfang an Dritte abgegeben werden. Dies können Mieter, aber auch Dienstleister oder andere vertrauensvolle Personen sein.
Doch auch mit einer Übertragung bleibt eine Restverantwortung beim Eigentümer selbst. Beispielsweise über eine Aufsichtspflicht, also der Überwachung des Dritten, dass dieser seiner Pflicht auch nachkommt (§ 278 BGB). Falls das nicht der Fall ist, muss der Eigentümer Ersatz finden oder die Aufgabe selbst erledigen.
Wichtige Voraussetzung für die Übertragung der Verkehrssicherungspflicht ist die eindeutige und ausdrückliche vertragliche Vereinbarung dieser zum Beispiel im Mietvertrag.
Mögliche Formulierungen im Mietvertrag zur Übertragung der Verkehrssicherungspflicht
Winterdienst:
„Der Mieter übernimmt die Pflichten für den Winterdienst im Wechsel mit anderen Mietern. Die Einteilung erfolgt über einen vom Vermieter aufgestellten Schneeräumplan, der den Mietern zugestellt wird. Zu den Pflichten gehören insbesondere:
- Das unverzügliche Räumen von Schnee und Eis auf den Wegen und Bürgersteigen zum Hauseingang, entlang der Hausfront, auf dem Müllplatz sowie den Parkplätzen.
- Die Räumpflicht besteht werktags ab spätestens 7 Uhr, sonn- und feiertags ab 9 Uhr. Zwischen 20 Uhr und 6 Uhr besteht keine Räumpflicht.
- Bei Glatteis sind zusätzlich abstumpfende Mittel wie Split, Granulat oder Sand zu streuen.“
Garten:
„Der Mieter ist zur Pflege des mitvermieteten Gartens verpflichtet. Dazu gehört insbesondere das Beschneiden von Bäumen und Sträuchern sowie, nach Absprache, das Fällen kranker beziehungsweise morscher Bäume und Sträucher.“
Was droht bei der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht?
Festgelegte Strafen für die Missachtung der Verkehrssicherungspflicht gibt es nicht. Jedoch steht unter Umständen dem Geschädigten je nach Schaden ein Schmerzensgeld oder Schadenersatz zu (§ 823 BGB). Das ist immer dann der Fall, wenn deutliche Anzeichen für eine drohende Gefahr übersehen oder ignoriert wurden. Oftmals muss ein Gericht entscheiden, ob der Eigentümer wirklich bewusst oder fahrlässig handelte und somit in die Haftung für den entstandenen Schaden kommt. Die Beweislast liegt im Streitfall beim Geschädigten.
Gibt es Versicherungen für die Verkehrssicherungspflicht?
Immobilieneigentümer können sich gegen mögliche Schadenersatzansprüche aufgrund von Personen-, Sach- oder Vermögensschäden mit einer Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung absichern. Diese greift dann, wenn Personen oder Sachen zu Schaden kommen, weil der Verkehrssicherungspflicht nicht ausreichend nachgekommen wurde. Für ein Einfamilienhaus kostet die Versicherung in der Regel keine 100 Euro im Jahr.
Achtung: Sind an der Immobilie oder auf dem Grundstück selbst Schäden entstanden, so sind diese nicht über die Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht abgedeckt. Hierfür wird eine Gebäudeversicherung benötigt.