Wenn sich Müllsäcke im Treppenhaus stapeln, der Nachbar seine Zigarettenkippen achtlos auf den Balkon unter sich fallen lässt oder Ungeziefer in der Wohnung auftauchen, kann der Mieter unter Umständen eine Mietminderung erzwingen.
Übersicht
Störfaktor Schmutz: Dann ist eine Mietminderung möglich
Ob nun die Fassade des Hauses mit Graffiti beschmiert ist oder der Nachbar Krümmel oder Pflanzenreste auf den Balkon fallen lässt: Ab einer gewissen Menge an Schmutz und Unrat wird der Mieter in seinem Wohn- und Lebensraum eingeschränkt. Wenn diese Einschränkung erheblich ist, kann das ein Grund zur Mietminderung sein.
Schmerzgrenze Schmutz: Was ist zumutbar?
Jens Hermann, Fachanwalt für Mietrecht in Nürnberg, erklärt: „Es muss eine dauerhafte und massive Beeinträchtigung durch Schmutz vorliegen, so dass der Mieter nicht wie sonst seine Wohnung nutzen kann.“ Ein bisschen Dreck von kurzer Dauer ist also noch kein Grund zur Mietminderung. Natürlich empfinde jeder Schmutz anders, weiß Hermann. Doch rechtlich sei die Empfindlichkeit der einzelnen Personen irrelevant. Gerichte orientieren sich daran, was dem „Durchschnittsmenschen“ zugemutet werden kann (BVerwG 4 BN 39.05).
Schmutz und Dreck: Was Mieter dulden müssen und was nicht
Ein paar Krümmel, die von Nachbars Balkon fallen, Taubendreck auf den Fensterbrettern oder mit Graffiti beschmierte Haustüren: Schmutz und Dreck nimmt zwar jeder ein bisschen anders war – wird er aber unzumutbar haben Mieter diese Möglichkeiten:
Mietminderung wegen Schmutz und Gerümpel im Treppenhaus?
Wohnen mehrere Mieter in einem Haus, kann es im Treppenhaus und Eingangsbereich schnell mal eng werden: Der eine kehrt dort Dreck hin oder stellt Müll ab, der nächste lagert dort seine Möbel oder alten Kartons zwischen.
Diese Rechte hat der Mieter: Laut Mietrechtsexperten Jens Hermann gehört das Treppenhaus nicht zur Mietssache, der Mieter darf es also nur dazu benutzen, um in seine Wohnung zu gelangen. Mehr nicht, denn: „Diese Wege sollen für Notfälle, zur Flucht, für Feuerwehr und Polizei freigehalten werden.“ Es sei die Pflicht des Vermieters, dafür zu sorgen, dass diese Wege frei sind.
Eine Mietminderung wegen Schmutz und Gerümpel im Treppenhaus ist dennoch nicht so einfach durchzusetzen: „Das Treppenhaus ist eine Gemeinschaftsfläche, da muss die Verschmutzung schon erheblich sein, um als Einschränkung zu gelten.“
Bei einem verschmutzten Treppenhaus hält Philipp-André Krasa, Rechtsanwalt in Nürnberg, eine Mietminderung von bis zu 10 Prozent für möglich: „Für einen höheren Betrag müsste eine schwerwiegende Beeinträchtigung vorliegen, wie etwa krankheitserregende Stoffe.“ Diese Stoffe muss der Mieter dann aber gegebenenfalls per Gutachten nachweisen. Das Amtsgericht Münster urteilte bei Hundekot im Treppenhaus sogar, dass eine Mietminderung in Höhe von 20 Prozent angemessen sei (AZ 8 C 749/94).
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Mietminderung wegen Dreck vom Balkon des Nachbarn?
Der Nachbar lässt Zigarettenkippen oder Grillasche auf den Balkon oder die Terrasse fallen oder schüttelt seine Teppiche vom Balkon oder Fenster aus. Für Ärger unter Nachbarn sorgen oft auch Blumenkästen auf den Balkonen – nämlich immer dann, wenn Pflanzenreste oder Erde auf den eigenen Balkon fallen oder beim Blumengießen überschüssiges Wasser nach unten tropft.
Diese Rechte hat der Mieter: Der Balkon gehört zu Mietwohnung. Das bedeutet, er darf zum mietrechtlichen Gebrauch genutzt werden. Dazu kann auch das Grillen, Aufschütteln von Bettdecken oder Ausklopfen von Teppichen gehören. Das haben unterschiedliche Gerichte entschieden. Das Amtsgerichts München wertet Ausschütteln von Bettdecken beispielsweise als normalen Mietgebrauch (AG München, 424 C 28654/13). Der Mieter muss dabei aber sicherstellen, dass die Wohnung beziehungsweise der Balkon darunter oder daneben nicht verschmutzt wird.
Es gibt jedoch Grenzen. Generell müssen Mieter nämlich untereinander auf ihre Belange Rücksicht nehmen. Zudem kann auch der Blick in die Hausordnung helfen, was rechtmäßig ist und was nicht. Erst wenn der Nachbar nicht einsichtig ist und gar gegen die Hausordnung verstößt, kann der Mieter in Form einer Mängelanzeige beim Vermieter eine Mietminderung fordern, weil eine vertragsgemäße Nutzung des Balkons nicht möglich ist. In einem Fall fiel regelmäßig Unrat vom Balkon des Nachbarn herunter. Der Mieter konnte daraufhin die Miete um 2,5 Prozent mindern (AG Frankfurt, Az.: 33 C 1726/04-13).
Mietminderung wegen Taubendreck?
Der Feierabend auf dem Balkon ist für manchen Mieter ein schöner Tagesabschluss. Umso schlimmer, wenn der mit Taubendreck bedeckt ist oder der Nachbar oben drüber seinen Unrat nach unten fallen lässt.
Diese Rechte hat der Mieter: „Taubendreck an sich ist noch kein Grund zur Mietminderung“, sagt Mietrechtsexperte Philipp-André Krasa. Gerade in der Innenstadt seien Stadttauben üblich und müssen geduldet werden. Laut dem Rechtsexperten kann eine Mietminderung nur in Betracht kommen, wenn der Nachbar die Vögel füttert und es zu erheblichen Verschmutzungen kommt, die nicht mehr sozialadäquat sind. Aber es gibt auch ein Urteil, dass den Mieter im Recht sieht. Nisten Tauben auf dem Balkon oder am Haus, führe das zur Verunreinigung des Balkons mit Taubenkot, weshalb der Mieter seine Miete um 5 Prozent mindern könne, urteilte das Amtsgericht Hamburg (AG Hamburg, Az: 40 a C 2574/87).
Mietminderung wegen Ungeziefer und Ratten?
Wenn Kakerlaken in den Ecken krabbeln und Ratten oder Mäuse umherhuschen: Ungezieferbefall verursacht nicht nur Schmutz in der Wohnung, sondern ruft oft auch Ekel oder Angst hervor.
Diese Rechte hat der Mieter: Gerade bei Ungeziefer in der Mietwohnung stellt sich laut Fachanwalt Jens Hermann die Schuldfrage: „Wenn der Mieter den Ungezieferbefall selbst verursacht hat, hat er kein Recht zur Mietminderung.“ Wenn Ratten und Schaben aber ohne Schuld des Mieters auftauchen, könne das ein Grund zur Mietminderung sein. Bei akuter Gefahr für Leib und Leben könne der Mieter zudem selbst tätig werden, so Rechtsanwalt Philipp-André Krasa. Er dürfe zum Beispiel ein Unternehmen zur Schädlingsbekämpfung beauftragen und die Rechnung dem Vermieter geben. Bei Rattenbefall in der Wohnung könne man sogar bis zu 80 Prozent die Miete mindern, urteilte das Amtsgericht Dülmen (AG Dülmen Az: 3 C 128/12). Durch Rattenbefall und eingeleitete Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung war die Gebrauchstauglichkeit der Wohnung erheblich beeinträchtigt.
Mietminderung wegen Graffitis?
Wenn die Außenfassade oder Hausflur farbig beschmiert sind, gefällt das nicht jedem. Vor allem Farbsprühereien wie Graffitis gelten eher als Verschandlung und nur selten als Kunstwerke.
Diese Rechte hat der Mieter: „Ein Graffiti kann unter Umständen ein Grund zur Mietminderung sein, wenn der Vermieter es nicht entfernen lässt“, sagt Mietrechtsexperte Philipp-André Krasa. Laut dem Experten hängt das von mehreren Faktoren ab: Ob es sich um Wohnräume oder Gewerbeflächen handelt, und inwieweit das Gebäude einem repräsentativen Zweck dient. Bei Gebäuden, die von ihrer Außenwirkung leben, wie Bäckerei, Arztpraxis oder Büros, kann eine Mietminderung also durchaus berechtigt sein.
Bei Mietwohnungen ohne repräsentativen Zweck sei ein Graffiti meist kein Grund zur Mietminderung, so Krasa. Einem Urteil des Amtsgerichts Lichtenberg jedoch nach, könne man bei großflächigen Graffitis im Treppenhaus die Miete um 5 Prozent senken (LG Lichtenberg, Az: 103 C 138/09).
Mietminderung wegen Baustaub oder Bauschmutz?
Ist der Mieter ständigem Schmutz durch Bauarbeiten ausgesetzt, kann er unter Umständen eine Mietminderung erzwingen. Foto: aboutmomentsimages / stock.adobe.com
Finden Bauarbeiten durch Sanierungen im Wohnumfeld, etwa im Hinterhof, oder an der Wohnung statt, lässt die Verschmutzung nicht auf sich warten: Staub liegt in der Luft, Dreck wird in die Wohnung getragen oder Material rieselt zum Fenster herein.
Diese Rechte hat der Mieter: Dass der Schmutz einer normalen Baustelle vor der Tür zur Mietminderung berechtigt, sieht Mietrechtsexperte Philipp-André Krasa als unwahrscheinlich an: „Staub ist ein Alltagsgegenstand. Eher kommt eine Mietminderung wegen Lärm in Frage.“
Wenn die Beeinträchtigung aber erheblich sei, ist unter Umständen eine Mietminderung für die Dauer der Baustelle möglich. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Mieter wegen erheblicher Verschmutzung den Flur nur mit einem Mundschutz betreten kann, oder er alle Fenster geschlossen halten muss, damit kein Bauschmutz in die Wohnung fällt. In Berlin behielt ein Mieter zehn Prozent der Miete aufgrund Baustellenlärms und -schmutz ein. Das Landgericht Berlin hat die Klage der Vermieterin abgewiesen. Ein BGH-Urteil vom 29. April 2020 – VIII ZR 31/18 hob das Urteil jedoch auf und wies sie an das Landgericht zurück.
Achtung: Keine Mietminderung bei Vorkenntnis
Wenn der Mieter beim Unterzeichnen des Mietvertrages von einer bestimmten Schmutzbelästigung wissen konnte und dennoch unterzeichnet, gilt dieser Schmutz als hingenommen und rechtfertigt keine Mietminderung. Diese wäre nur möglich, wenn der Mieter sich wegen des erkannten Schmutzes das Recht zur Mietminderung vorbehält (§ 536b).
Mietminderung wegen Schmutz: So gehen Mieter vor
Wenn Schmutz den Mieter unzumutbar beeinträchtigt, ist manchmal eine Mietminderung gerechtfertigt, aber der Mieter darf nicht gleich die Miete mindern. Erst muss er seinem Vermieter die Schmutzbelästigung in Form einer Mängelanzeige melden und diesem eine angemessene Frist setzen, bis wann der Dreck beseitigt sein soll. Erst danach hat der Mieter das Recht zur Mietminderung (§ 536c BGB).
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Dazu, wie viel Mietminderung angemessen ist, gebe keine feste Leitlinie oder Minderungsquote, sagt Philipp-André Krasa, Rechtsanwalt in Nürnberg. Aus diesem Grund sollten sich Mieter zur Sicherheit den Rat eines Experten einholen.
Hat ein Vermieter eine Beschwerde erhalten, muss er den Hinweisgeber unter Umständen preisgeben. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs kann das Auskunftsinteresse der angezeigten Person dem Geheimhaltungsinteresse des Hinweisgebers überwiegen (BGH, Az.: VI ZR 14/21). Zum Beispiel, wenn der gegebene Hinweis nicht der Wahrheit entspricht.
Info: Schmutz beweisen
Wenn der Mieter regelmäßig durch Schmutz belästigt wird, benötigt er als Beweis kein Gutachten oder Schmutzprotokoll. Eine Beschreibung des Sachmangels reicht aus: Darin beschreibt er, um welche Art Schmutz es sich handelt, wann, wie lange und wie oft er ungefähr auftritt (BGH VIII ZR 155/11).